VG München, Beschluss v. 10.05.2024 – M 31 K 22.4973 (2024)

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Tenor Gründe

Titel:

Normenketten:

VwGO § 166

ZPO §§ 114 ff.

GG Art. 3 Abs. 1

BV Art. 118 Abs. 1

Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 5 (Überbrückungshilfe IV)

Schlagworte:

Zuwendungsrecht, Prozesskostenhilfe, Neustarthilfe 2022, Nachweis der Coronabedingtheit (hier verneint)

Fundstelle:

BeckRS 2024, 14241

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Der Kläger, der nach seinen Angaben im Zuwendungs- und Gerichtsverfahren in der Branche Forschung und Entwicklung im Bereich Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie im Bereich Sprach-, Kultur- und Kunstwissenschaften tätig ist und dabei persönliche soziale Beratungen durchführt, begehrt unter Aufhebung eines Ablehnungsbescheids der Beklagten, den diese im Vollzug der Richtlinien für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 5 (Überbrückungshilfe IV) erlassen hat, deren Verpflichtung zur Zuwendungsgewährung.

2

Unter dem 14. Juni 2022 beantragte der Kläger die Gewährung einer Neustarthilfe i.H.v. 1.280.- EUR für den Förderzeitraum April bis Juni 2022. Auf Nachfrage der Beklagten führte er im Wesentlichen aus, seine maßgeblich älteren Kunden hätten sich pandemiebedingt entschieden, keine oder entschieden weniger persönliche Kontakte aufzunehmen, da sie vom Pandemierisiko besonders betroffen gewesen seien. Die Zielgruppe sei lieber zu Hause geblieben. Da seine Kunden in der Regel auch über keine Online-Kontakte verfügten, seien sie für ihn verloren gegangen. Zudem sei die Kundschaft pandemiebedingt auch zu erheblichen Sparmaßnahmen gezwungen gewesen, sodass sie wirtschaftlich nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine Dienstleistungen nachzufragen. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 9. September 2022 lehnte die Beklagte den Antrag ab.

3

Hiergegen richtet sich die am 7. Oktober 2022 erhobene Klage. Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9. September 2022 zu verpflichten, die beantragte Überbrückungshilfe IV in Gestalt der Neustarthilfe 2022 antragsgemäß zu gewähren. Zudem beantragt er am 17. Dezember 2022 unter Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse

4

die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

5

Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Sie verteidigt den streitbefangenen Bescheid mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 28. November 2022.

6

Mit Beschluss vom 8. Mai 2024 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

II.

8

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg.

9

1. Nach § 166 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Anforderungen an das Vorliegen einer Erfolgsaussicht dürfen nicht überspannt werden und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zum Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlen. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, B.v. 22.8.2018 – 2 BvR 2647/17 – juris Rn. 14). Daher ist eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit ausreichend, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso gewiss ist wie ein Unterliegen, d.h. es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs, nicht allerdings eine nur entfernte, theoretische Wahrscheinlichkeit (vgl. zum Ganzen etwa BVerfG, B.v. 18.9.2017 – 2 BvR 451/17 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 21.9.2016 – 10 C 16.1164 – juris Rn. 12; Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 26 m.w.N.).

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2. Diese Voraussetzungen sind hier, unabhängig von der Frage, ob der Kläger finanziell in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu übernehmen, nicht gegeben, da die Klage keine Erfolgsaussichten hat. Nach Lage der Akten wird diese voraussichtlich erfolglos bleiben, weil sie unbegründet ist. Der Kläger hat gegen die Beklagte den von ihm geltend gemachten Anspruch, sinngemäß gerichtet auf Verpflichtung zur Gewährung und Auszahlung der Neustarthilfe 2022 aufgrund seines Zuwendungsantrags vom 14. Juni 2022, voraussichtlich nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO).

11

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und die vertiefenden Ausführungen der Beklagten in der Klageerwiderung vom 28. November 2022 (dort unter C.), der das Gericht folgt, Bezug genommen. Zusammenfassend gilt sonach Folgendes:

12

Als objektiven Anknüpfungspunkt für die Coronabedingtheit zieht die Beklagte in ihrer ständigen, insoweit allein maßgeblichen Verwaltungspraxis grundsätzlich die normative Betroffenheit durch Infektionsschutzmaßnahmen heran. Entscheidend sind dabei im hier relevanten Förderzeitraum folglich insbesondere die Einschränkungen, die sich aus der dort im Wesentlichen einschlägigen 16. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (16. BayIfSMV) ergeben, die am 3. April 2022 in Kraft trat.

13

Diese Zuwendungspraxis der Beklagten ist voraussichtlich nicht zu beanstanden. Denn es ist in der ständigen Rechtsprechung anerkannt, dass dem Zuwendungsgeber bei der Bestimmung des Umfangs der Zuwendungsberechtigung für die Corona-Wirtschaftshilfen ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. statt vieler aktuell z.B. VG München, U.v. 10.5.2023 – M 31 K 21.6532 – juris Rn. 27). Dies gilt auch und gerade für die Frage der Coronabedingtheit. Zur Begründung der Coronabedingtheit der Umsatzrückgänge wird vom Kläger im Wesentlichen vorgetragen, er erziele seine Umsätze maßgeblich mit einem älteren Kundenkreis, der pandemiebedingt sowohl gesundheitlich als auch finanziell in besonderer Weise betroffen gewesen sei. Diese Umstände erfüllen nach der geübten und allein maßgeblichen Verwaltungspraxis der Beklagten nicht die Voraussetzungen zum Nachweis der Coronabedingtheit. Während der Geltung der 16. BayIfSMV war die Erbringung von sozialen Beratungsdienstleistungen, wie sie der Kläger anbietet, rechtlich ohne Weiteres möglich. In Bayern galten auf Grundlage der 16. BayIfSMV seit dem 3. April 2022 im Wesentlichen lediglich noch allgemeine Verhaltensempfehlungen (vgl. § 1), Beschränkungen ergaben sich allein aus §§ 2, 3 der 16. BayIfSMV (Maskenpflicht, namentlich im Bereich des Gesundheitswesens, und einrichtungsbezogene Testerfordernisse). Das von der Beklagten bewusst praktizierte restriktive Verständnis der Coronabedingtheit ist schon deshalb ermessensgerecht und willkürfrei, weil die staatlichen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung während der Förderzeiträume der Überbrückungshilfe IV – und hier ganz besonders im späten Förderzeitraum des 2. Quartals 2022 unter Geltung der 16. BayIfSMV – nicht mehr so einschneidend waren wie noch zuvor und die einzelnen Betriebe wieder fast uneingeschränkt von normativen Restriktionen wirtschaften werden konnten (vgl. OVG NRW, B.v. 29.12.2023 – 4 B 455/23 – juris Rn. 14). Dass der Kläger von den Beschränkungen der §§ 2,3 der 16. BayIfSMV erfasst gewesen sei, trägt er weder selber vor noch ist solches ersichtlich.

14

Der Kläger legt für seine gegenteilige Rechtsauffassung sein eigenes Verständnis der Zuwendungsrichtlinie zugrunde, auf das es nicht ankommt. Allein maßgebend ist das Verständnis der Coronabedingtheit und die daran anknüpfende Vollzugspraxis der Beklagten, gerade nicht aber das Verständnis des Klägers, selbst wenn die konkreten Fördervorgaben gegebenenfalls sogar unklar formuliert und daher zumindest teilweise schwierig in ihren Einzelheiten zu erkennen gewesen sein mögen (vgl. z.B. VG Würzburg, U.v. 1.12.2023 – W 8 K 23.611 – juris Rn. 68; VG München, U.v. 10.3.2023 – M 31 K 22.1123 – juris Rn. 31). Es kommt auch nicht darauf an, ob die einschlägige Richtlinienbestimmung vermeintlich widersprüchlich ist und welche Maßnahmen nach Auffassung des Verwaltungsgerichts bzw. bei – aus Sicht der Klägerseite – „richtiger Auslegung“ nach der Zuwendungsrichtlinie förderfähig wären (BayVGH, B.v. 23.10.2023 – 22 ZB 23.1426 – juris Rn. 13).

15

Danach ist gerade auch unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers zu seiner tatsächlichen Situation im Förderzeitraum nach Aktenlage keine Förderfähigkeit gegeben, sodass die Beklagte die begehrte Förderung voraussichtlich ermessensfehlerfrei ablehnen konnte. Der Rückgang der Kundennachfrage führt als solcher hier gerade nicht zu einer Förderfähigkeit, sondern ist vielmehr Teil des allgemeinen Geschäftsrisikos des Klägers. Eine im Sinne des Vollzugs der Neustarthilfe 2022 notwendige und im 2. Quartal auch nur unter sehr engen Voraussetzungen anzunehmende Coronabedingtheit ergibt sich daraus nach dem hierzu allein maßgeblichen Verständnis der Beklagten nicht. Dies ist von Rechts wegen mit Blick auf den aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende gerichtlichen Prüfungsmaßstab des Willkürverbots voraussichtlich nicht zu beanstanden.

16

Sonach war der Antrag abzulehnen.

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